Der Markt für Turbolader: Wie viel Konkurrenz belebt das Geschäft?

08.01.2008
Auch 10 Jahre nach dem unvorstellbaren Turbolader-Boom für PKW sorgen die Entwicklungen der innermotorischen Verbrennung weiterhin für eine Fortschreibung des positiven Wachstumstrends im Turboladermarkt. Dieser wird sich nach unseren Erkenntnissen aus umfangreichen Single Client Studien auch in Zukunft weiter fortsetzen. Durch die Attraktivität des Marktes und die Unterstützung der Automobilhersteller wagen einige gut etablierte Zulieferunternehmen heute den Schritt ins Turboladergeschäft. Wie viel Raum der Markt aber tatsächlich für neue Anbieter bietet und ob diesen der Markteintritt gelingt, bleibt abzuwarten.
Bereits in den 80er Jahren wurden erste Dieselmotoren mit Turboladern ausgestattet. Gegenüber gewöhnlichen Saugdieseln weisen aufgeladene Motoren einen höheren Wirkungsgrad auf: Dem Brennraum wird eine größere Menge Luft zugeführt, so dass ein hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen erzeugt wird. Die Turbine wird im Lader durch die Bewegungsenergie des Abgases angetrieben.

Nachdem der Einsatz von Turboladern in den vergangenen Jahren gerade bei Dieselmotoren spürbare Wirkungsgradsteigerungen brachte, zieht die Technik für Benzinmotoren nun nach: Durch die Entwicklung der Direkteinspritzung für Benzinmotoren kann nun auf die ineffiziente Drosselung der Ansaugluft weitgehend verzichtet werden. Neben der Leistungssteigerung weisen aufgeladene direkteinspritzende Benzinmotoren auch eine wesentlich bessere Bilanz der Rohemissionen auf.

Nachdem wir also vor 10 Jahren einen unvorstellbaren Turboladerboom bei den Dieselmotoren erlebt haben, müssen wir jetzt damit rechnen, dass sich ähnliches bei den Ottomotoren ereignet. Allerdings, und das zeigt die Analyse, wird die Durchdringung mit Direkteinspritzung und Aufladung auf ein nicht ganz so hohes Niveau ansteigen wie dies bei Dieselmotoren der Fall ist.

Diese Entwicklung bringt Bewegung in einen Markt, der lange Zeit vor allem von zwei Herstellern dominiert wurde. Eine übergroße Nachfrage führte bei den Herstellern vermehrt zu Kapazitätsengpässen und Qualitätsmängeln. Dies veranlasst die Fahrzeughersteller nun, anderen bekannten Automobil-Zulieferern den Eintritt in den Turbolader-Markt zu erleichtern. So versuchen Bosch, Mahle, Voith und möglicherweise Conti in Zusammenarbeit mit Siemens den etablierten Anbietern Honeywell-Garrett und BorgWarner Turbo Systems (ehemals KKK) Konkurrenz zu machen. Dabei setzen sie teilweise auf die Kooperation mit kleinen, eher unbekannten Turboladerherstellern.

Eine Reihe von Gründen sprechen allerdings dafür, dass dies nur eingeschränkt gelingen wird. Der Turbolader stellt z. B. überdurchschnittliche technische Anforderungen hinsichtlich Drehzahlfestigkeit, Temperaturbeständigkeit, mechanischen Verstellmöglichkeiten und an die Steuerung. Eine Erfüllung der umfangreichen Forderungen der Lastenhefte der OEM über die gesamte Lebensdauer ist für Neueinsteiger eine nicht zu unterschätzende Hürde. Außerdem ist es in der Automobilzulieferindustrie, wo hochgradige Arbeitsteilung und Spezialisierung dominieren, nahezu unmöglich, in Märkte für komplexe Module einzutreten, ohne mit ausreichender Entwicklungskompetenz und mit effizientem Produktions-Know-how ausgestattet zu sein. Fraglich ist zudem, ob der Wachstumsmarkt der Turbolader für direkteinspritzende Ottomotoren groß genug ist, um vier oder fünf neue, anspruchsvolle Marktteilnehmer aufnehmen zu können. Dies gilt einerseits für den Absatz der Produkte, andererseits aber auch für entsprechendes Fachpersonal: Der Markt für erfahrene Entwicklungsingenieure im Turboladerbereich ist äußerst begrenzt; Insider schätzen die Zahl der Spitzenkräfte weltweit auf unter 200. Da wundert es nicht, dass bislang statt einer Belebung der Marktkräfte nur ein Wettkampf um die erfahrensten und klügsten Köpfe stattfindet, der alle Marktteilnehmer in ihrer Entwicklungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt.

Es bleibt also weiter abzuwarten, ob die Strategie der Fahrzeughersteller aufgeht, durch mehr Wettbewerb im Zuliefermarkt die Entwicklungszeiten zu verkürzen, die Lieferfähigkeit zu erhöhen und schlussendlich auch die Preise zu senken. Per se ist diese Annahme plausibel. Ob sie allerdings auch für ein komplexes Aggregat wie den Turbolader gilt, wird sich erst in Zukunft zeigen.