KunstStoffTrends 05/2004 - Thermoplastische Elastomere: Das Ende der technischen Elastomere?

18/10/2004
Wachstum durch neue Anwendungen
Zahnbürstengriffe, Handbremsenabdeckungen, Schläuche und Profile sind nur einige Anwendungen, die in den letzten 10 Jahren für das kontinuierliche Marktwachstum der thermoplastischen Elastomere (TPE) gesorgt haben.
Der Hauptgrund für die Akzeptanz der TPE sind ihre Materialeigenschaften. Sie verbinden die Vorteile der Verarbeitung von Thermoplasten mit den Materialeigenschaften von Elastomeren. Die zeitintensive und irreversible Vulkanisierung entfällt zugunsten einer thermischen, umkehrbaren Reaktion. Dadurch sind Kunststoffverarbeiter erstmalig in der Lage, elastische Materialien zu verarbeiten. Vor allem die Verarbeitung im 2-Kompontenverfahren mit einer Vielzahl verschiedener Polymere eröffnet z. T. vollkommen neue Anwendungen wie z. B. Soft-Touch-Schalter.
Die Einsatzvielfalt der TPE wird durch verschiedene Compounds auf unterschiedlicher Rohstoffbasis erreicht. Styrol- und Polyolefinbasierte TPE haben heute ca. 70 % Marktanteil.

Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit hinsichtlich Temperatur- (weniger als 100°C) und Ölbeständigkeit von TPE-S und TPE-O begrenzt die Anwendung dieser Werkstoffe. Eine Substituierung technischer Elastomere findet deshalb bisher nur in geringem Umfang statt, da die technischen Anforderungen häufig das Leistungsspektrum der TPE übersteigen. Doch durch den Einsatz von 2K-Spritzgußverfahren dringen TPE auch in bestehende Anwendungen von Thermoplasten wie z. B. als Werkstoff für Zahnbürstengriffe vor.

Marktgröße und -entwicklung
Im Jahr 2003 wurden in Westeuropa ca. 0,5 Mio. Tonnen TPE mit einem Wert von ca. 1 Mrd. € verarbeitet (+6 % im vgl. zum Vorjahr). Bis 2008 wird ein durchschnittliches Wachstum für TPE von 5 - 6 % erwartet, dies entspricht einem Produktionsvolumen 2008 von 0,75 Mio. Tonnen. Im selben Zeitraum werden die thermoplastischen Kunststoffe um 4 % p. a. auf 61 Mio. Tonnen und die Elastomere um 2 - 3 % p. a. auf 6,5 Mio. Tonnen wachsen (darunter ca. 0,9 Mio. Tonnen techn. Elastomere).

Da mittelfristig in den EU25-Staaten ein Wirtschafts-wachstum von 2,1 % erwartet wird, müssen die TPE neue Anwendungen mit bis zu 0,13 Mio. Tonnen Potenzial erschließen. Die Absatzprognosen für die nächsten Jahre zeigen, dass zukünftig ein stärkerer Trend zur Substituierung von Elastomeren erwartet werden kann (v. a. bei Formteilen, Schläuchen und im KFZ). D. h. bis zu 0,07 Mio. Tonnen (zwischen 35 % und 50 % der neuen Anwendungen) könnten statt durch technische
Elastomere durch TPE ausgeführt werden. Dies entspricht einem Anteil am Gesamtvolumen der technischen Elastomere von 8 %.

Trends: High Perfomance TPE
Die TPE werden sich in den nächsten Jahren aus dem unteren Preis- und Qualitätssegment heraus vereinzelt auch in technologisch anspruchsvollen Segmenten etablieren.

Im Fokus der Werkstoffentwicklung stehen dabei neue TPE-V, Blends aus Hochleistungsthermoplasten mit
Elastomeren auf Basis von ACM/AEM, EPDM, VMQ. Die Hitze- (bis 200° C) und die Ölbeständigkeit werden stark verbessert, dadurch könnten auch höherwertige Anwendungen für die Fahrzeug- und die allgemeine Industrie produziert werden. Ersetzt werden dabei überwiegend die Elastomere EPDM und CR. Erste Beispiele hierfür sind Fahrzeugtüllen und Scheibenumspritzungen.

Auch die Entwicklung von „Bio“-TPE aus nachwachsenden Rohstoffen sowie transparente, wärme- und lichtbeständige thermoplastische Polyurethane auf HDI-(Hexamethylendiisocyanat) Basis zielen auf hochpreisige Anwendungen u. a. in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Medizintechnik, z. B. für Transplantate.

Technik: Chancen für Elastomer- und Kunststoffverarbeiter
Für die weitere Entwicklung der TPE ist neben den technischen Eigenschaften jedoch auch der Marktzugang, das Auslegungs- und Anwendungs-Know-how von entscheidender Bedeutung. Die technischen Verarbeiter von TPE haben bei technisch anspruchsvollen Anwendungen wie z. B. Dichtungen im Antriebsstrang und im Motorraum nur wenig praktische Erfahrung. Auch fehlen für viele Einsatzfälle die Freigaben die Fahrzeugindustrie.

So werden vor allem die europäischen Elastomerverarbeiter die Chancen dieser neuen Materialien nutzen und TPE neben den technischen Elastomeren verarbeiten und anbieten. Bisher war jedoch die Investitionsbereitschaft in thermoplastische Anlagen auf Grund mangelnder Verarbeitungserfahrung und den noch nicht ausgereiften Materialien eher niedrig. Dies wird sich in den nächsten Jahren jedoch ändern.

Es zeigt sich, dass weiterhin viele der wichtigen Kriterien gegen eine starke Substituierung von Elastomeren sprechen. Trotzdem werden die Elastomerverarbeiter aufgefordert sein, sich mit den TPE auseinander zusetzen, um ihre Marktposition zu verteidigen und von den neuen Anwendungsmöglichkeiten zu profitieren.

Fazit:
Der Markt für TPE wird sich in den nächsten Jahren weiter entwickeln. Dabei entstehen sowohl für die Polymer- als auch die Elastomerverarbeiter Marktchancen. Wer am Ende die größeren Vorteile erzielt, wird die Innovtionsbereitschaft und der Know-How-Aufbau entscheiden. Klar ist aber auch, eine vollständige Ablösung der Elastomere durch TPE wird es nicht geben.