Voice of Customer – sprechen Sie "Kunde"?

23.09.2014
Voice of Customer – sprechen Sie "Kunde"?
Kundenerwartungen und -zufriedenheit zu erfassen ist eine wesentliche Voraussetzung für zielgerichtetes Qualitätsmanagement. Die von uns periodisch veröffentlichte Reihe "Voice of Customer" bietet Ihnen eine Übersicht zu den wichtigsten methodischen Aspekten.
Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung wird der Preiswettbewerb durch Anbieter aus den Schwellenländern immer intensiver. In der Folge erkennen B2B-Unternehmen aus den Industrienationen die wachsende Bedeutung, die Erwartungen ihrer Kunden so genau wie möglich zu erkennen und zu adressieren. Dazu müssen Unternehmen aber zunächst die richtigen Fragen an die richtigen Personen richten und deren Antworten verstehen, um daraus anschließend konkrete Maßnahmen abzuleiten. Hierfür gelten im B2B eigene Regeln: Im Gegensatz zu B2C-Analysen, die sich an den anonymen Massenkunden richten, wenden sich B2B-Befragungen an eine kleine Anzahl bekannter Kunden zu, die oft in einer bereits lange andauernden Geschäftsbeziehung zu ihrem Lieferanten stehen. Zudem sind dabei in der Regel Mitarbeiter verschiedenster Unternehmensfunktionen an einem mehr oder weniger rationalen Entscheidungsprozess über den Einkauf komplexer Produkte beteiligt.

Loyalität.

Als Zielgröße und Gradmesser der Kundenbeziehung bezeichnet Loyalität die Treue eines Kunden zu einem Unternehmen im Sinne einer positiven, freiwilligen, emotionalen Verbundenheit, die sich in einer langfristig ausgelegten, vertrauensvollen und ggf. exklusiven Geschäftsbeziehung äußert.

In Kundenzufriedenheitsbefragungen wird oft ausschließlich die Zufriedenheit der Kunden mit Produkten und Dienstleistungen eines Unternehmens erhoben. Dabei wird Loyalität zumeist als automatische Folge einer hohen Kundenzufriedenheit und nicht als eine entscheidende Zielgröße für die Entwicklung der Kundenbindung betrachtet – wodurch viele Chancen für ein wesentlich tieferes Verständnis der Kundenbeziehung vergeben werden.

Die Messung von Loyalität ermöglicht eine Vielzahl zusätzlicher Einsichten: Sie erfasst zugrundeliegende Ursachen für (Un-) Zufriedenheit, Bindung und Kaufverhalten, ermöglicht die Identifizierung von Leistungskriterien mit besonders starkem Einfluss auf die Kundenbindung, deckt Chancen und erweiterte Geschäftsmöglichkeiten auf und macht Gefahren wie beispielsweise Wettbewerbsnachteile transparent. Um vertiefte Einsichten zu erlangen, ist es wichtig, die Teilnehmer der Befragung nach spezifischen Gründen für hohe oder niedrige Werte von Loyalitätsfaktoren zu fragen – z. B. „Denken Sie darüber nach, Ihren Lieferanten zu wechseln? Wenn ja, warum?“.

Als Gradmesser für Loyalität bieten sich verschiedene Indikatoren an. Für Befragungen sind prospektive Einschätzungen des Kunden gut geeignet: Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie das Unternehmen weiterempfehlen? …dass Sie weiterhin dort kaufen, ggf. …dass Sie die Nachfrage ausweiten werden (Cross-Selling)? Auch die Wechselbereitschaft zu einem anderen Zulieferer kann ein geeigneter Indikator sein. Retrospektiv können konkrete Daten genutzt werden, etwa die Dauer der Kundenbeziehung, die Anzahl der bei Ausschreibungen berücksichtigten Wettbewerber, oder der Anteil am gesamten Auftragsvolumen für eine Produktkategorie (Share-of-Wallet).

Für eine zielgerichtete Weiterentwicklung der Kundenbeziehungen nach Kundengruppen bietet sich eine Segmentierung nach Zufriedenheit und Loyalität anhand der erhobenen Indikatoren an. Die Differenzierung z. B. nach sehr loyalen, indifferenten, unfreiwillig gebundenen, pragmatischen und akut unzufriedenen Kunden hilft dabei, passgenaue Maßnahmen abzuleiten.Dabei kann sich ein wichtiger Unterschied zwischen den jeweiligen Indikatoren offenbaren: Auch für unzufriedene Kunden kann sich ein hoher Loyalitätswert ergeben, wenn diese vertraglich, durch Gewährleistungsauflagen oder sonstige Wechselbarrieren unfreiwillig an den Zulieferer gebunden sind. Umgekehrt gibt es Kunden, die sehr zufrieden sind, jedoch generell auf mehrere Zulieferer zugreifen oder sogar durch Unternehmensvorgaben an einen regelmäßigen Wechsel gebunden sind, und dementsprechend niedrige Loyalitätswerte erhalten.

Abbildung: Kundensegmentierung nach Loyalität und Zufriedenheit (fiktive Daten).

Loyalitäts-Scores bieten sich an, um Vergleiche anzustellen und Benchmarks zu definieren, etwa durch eine longitudinale Beobachtung der Entwicklung der Loyalität oder durch Loyalitätsvergleiche nach Regionen, Produktgruppen oder Geschäftseinheiten. In dem KPI Customer Loyalty Ratio (CLR) wird für verschiedene Loyalitätsindikatoren die Relation positiv gestimmter zu kritisch gestimmten Kunden bemessen, um eine vergleichbare Aussage über die Gesamtsituation des Unternehmens und seiner Untersegmente zu erhalten. So kann z. B. ermittelt werden, welcher Geschäftsbereich den internen Benchmark bei der Kundenbetreuung darstellt. Oder es kann aufgezeigt werden, wie sich der Erfolg bestimmter Marketinginitiativen in einzelnen Regionen unterscheidet.

Treiberanalysen dienen dazu herauszufinden, anhand welcher Aspekte die Loyalität der Kunden besonders gestärkt werden kann. Hierfür bieten sich statistische Verfahren wie etwa die multivariate lineare Regression oder Strukturgleichungsmodelle an. Dabei wird abgeleitet, an welchen Schnittstellen zwischen Unternehmen und Kunde oder bei welchen Leistungskriterien sich (Un-)Zufriedenheit besonders stark auf die Loyalitätsindikatoren auswirkt. Ein häufiger Befund unserer Analysen zeigt, dass so genannte weiche Faktoren wie Kundenservice und Beschwerdemanagement eine entscheidende Rolle für die Stärkung der Loyalität spielen, obwohl die Befragten sie oft als weniger wichtig erachten als z. B. Preis und Produktqualität.

Loyalität spielt sowohl als Erfolgs- als auch als Sicherheitsfaktor eine bedeutsame Rolle: Sie sichert die Stabilität der Geschäftsbeziehung, bietet die Grundlage für Geschäftserweiterungen (Cross-Selling) und stärkt die Positionierung gegenüber den Wettbewerbern. Zugleich werden bei hoher Loyalität zwischenzeitliche Qualitätseinbußen bei Produkten und Services eher verziehen und Preiserhöhungen eher akzeptiert. Es lohnt sich also, auf die Loyalität der Kunden als herausgehobene strategische Zielgröße besondere Aufmerksamkeit zu richten.