Voice of Customer – sprechen Sie „Kunde“? (3)

11.05.2015
Voice of Customer – sprechen Sie „Kunde“? (3)
Teil 3: Interpretation von Kundenzufriedenheits-Scores
Kundenerwartungen und -zufriedenheit zu erfassen ist eine wichtige Voraussetzung für zielgerichtetes Qualitätsmanagement. Die von uns periodisch veröffentlichte Reihe "Voice of Customer" bietet Ihnen eine Übersicht zu den wichtigsten Begriffe und methodischen Aspekten. Im dritten Teil der Reihe beschäftigen wir uns mit der Interpretation und Nutzbarmachung von Ergebnissen aus Kundenzufriedenheitsanalysen.
Scores sind ein Gradmesser für die Erfüllung der Erwartungen, die die Kunden an das Unternehmen haben. Allerdings sind diese Scores für sich genommen hinsichtlich ihrer Handlungsrelevanz nur bedingt inter-pretierbar. Um eine realistische Abschätzung des Status Quo, der Marktpositionierung und effizienter Maßnahmen abzuleiten, müssen sie relational bewertet werden.
Die wichtigsten Ansätze sind hier zusammengefasst:

1. Qualitative Verankerung der Skala
Für die Bewertung der Unternehmensleistungen ist eine qualitativ verankerte Bewertungsskala wichtig, bei der jedem Skalenpunkt eine Qualitätsaussage – etwa zum Erfüllungsgrad der Kundenerwartungen – zugewiesen wird. Dies ermöglicht den Rückschluss der quantitativen Daten: Die aggregierten Ergebnisse zeigen für jedes bewertete Leistungs-kriterium, ob die Erwartungen bei einem Gros der Kunden erfüllt wird oder mehrheitlich Verbesserungsbedarf gesehen wird.

2. Zufriedenheit in Relation zur Wichtigkeit
Neben der Zufriedenheit sollte auch die Wichtigkeit der bewerteten Leistungskriterien erfasst werden, um ihre Relevanz für die zukünftige Geschäftsbeziehung und damit die Hebelwirkung abgeleiteter Maß-nahmen einzuschätzen. Bei kleineren Stichproben empfiehlt es sich, die Wichtigkeit direkt abzufragen, etwa anhand von Ratings oder Rankings. Eine Alternative bietet das Befragungsschema des Kano-Modells, welches Basis-, Leistungs- und Begeisterungskriterien identifiziert.

Größere Stichproben ermöglichen die Einschätzung des Einflusses einzelner Leistungskriterien auf Zielgrößen wie Gesamtzufriedenheit oder Loyalität mittels multivariater Verfahren, etwa Korrelationsanalyse, Regressionsanalyse oder Strukturgleichungsmodelle.
Auf Grundlage der erhobenen oder abgeleiteten Wichtigkeit können nun korrektive Maßnahmen bestimmt werden, die sich präzise an den Kundenpräferenzen orientieren. Der Schwerpunkt liegt auf Leistungs-kriterien mit hoher Wichtigkeit und geringer Zufriedenheit, denn diese bieten das größte und zugleich (meist) am einfachsten realisierbare Verbesserungspotenzial. Die Verbesserung von Kriterien mit bereits hoher Zufriedenheitsbewertung hingegen ist ineffizient, da sie in der Regel einen wesentlich höheren Ressourceneinsatz erfordert. Kriterien mit geringer Wichtigkeit schließlich stehen nicht im Wahrnehmungsfokus des Kunden, eine Verbesserung wird im Zweifel nur geringen Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit haben.

3. Entwicklung im Zeitvergleich
Neben der Bewertung der aktuellen Zufriedenheit können Leistungs-kriterien hinsichtlich ihrer Veränderung über die Zeit bewertet werden. Es wird erhoben, ob die Kunden eine Verbesserung oder eine Verschlechte-rung der Leistung wahrnehmen. Dies dient als Indikator für die Entwicklung der Unternehmensleistung: Sie ermöglicht das Monitoring der Wirksamkeit von früher ergriffenen Verbesserungsmaßnahmen und das gezielte Gegensteuern bei der negativen Entwicklung einzelner Kriterien.

4. Positionierung im Wettbewerbsvergleich
Neben der Erhebung der eigenen Leistung sollte grundsätzlich auch eine vergleichende Erhebung der Leistung der Wettbewerber erfolgen. Wenn die Leistung bei relevanten Kriterien hinter denen des Wettbewerbs zurückbleibt, können selbst bei per se positiver Zufriedenheitsbeurteilung Kundenloyalität und Stabilität der Marktposition in Frage gestellt sein. Die Verankerung der erzielten Scores im Wettbewerbsvergleich wird damit für die weitere Interpretation und Maßnahmenableitung unmittelbar relevant: Jeder Vorteil ist ein potenzieller USP des Unternehmens, der für das Marketing genutzt werden kann, jeder Wettbewerbsnachteil hingegen stellt eine potenzielle Angriffsfläche bzw. einen möglichen Wechselgrund für die Kunden dar. Werden Wettbewerbsnachteile bei vermeintlichen USPs festgestellt, sind zentrale Verkaufsargumente des Unternehmens gefährdet. Bei den Wettbewerbsvergleichen sollte grundsätzlich berück-sichtigt werden, ob nur eigene Kunden befragt werden, da diese häufig eine positiv gefärbte Perspektive auf ihren selbst gewählten Zulieferer einnehmen. Für ein vollständigeres Bild der Meinung im Markt sollten
ergänzend Befragungen von Potenzialkunden und verlorenen Kunden in Betracht gezogen werden.

5. Interne Benchmarks – Best Practices
Die befragten Kunden lassen sich idealerweise geeigneten Kategorien zuordnen. In etwa nach Herkunftsregion des Kunden, verwendeter Produktklasse, Funktion des Ansprechpartners im Unternehmen, Unternehmensgröße, Unternehmenstyp oder Marktsegment. Eine vergleichende Gegenüberstellung der Bewertungen innerhalb dieser Kategorien bietet zunächst einmal ein besseres Verständnis der Verteilung der Bewertungen und gibt Hinweise auf mögliche Ursachen kritischer Bewertungen. Auf dieser Grundlage kann eine gezielt an den Bedürfnissen betroffener Kundengruppen orientierte Maßnahmenableitung erfolgen.
Durch den Vergleich der Bewertungen nach Produktbereich oder Vertriebszuständigkeit (z. B. nach Key Account, Geschäftsbereich oder Ländergesellschaft) können weitergehend interne Benchmarks und Best Practices festgestellt werden.

6. Externe Benchmarks und Best Practices
Anhand von Benchmarks können Gegenüberstellungen der Leistungsfähigkeit verschiedener Anbieter in vergleichbaren Industrieseg-menten angestellt werden, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit, Positionierung und Alleinstellungsmerkmale einzuschätzen.
Als Best Practices verstanden, helfen die Vergleiche bei der Einschätzung, welche Wettbewerber geeignete Maßnahmen für eine gesteigerte Kundenzufriedenheit gewinnbringend umsetzen.

Als Anbieter von Voice of Customer-Studien – speziell mit Fokus auf die Besonderheiten des B2B-Geschäfts – verfügt Schlegel und Partner mit über 500 Kundenzufriedenheitsprojekten über lang-jährige Expertise. Jährlich werden etwa 3.000 telefonische und persönliche Befragungen durchgeführt und weit über 10.000 Online-Fragebögen erfasst. Für die Ableitung profunder und belastbarer Analysen und Bewertungen steht dabei ein umfassendes Methodeninstrumentarium zur Verfügung.