Schlegel und Partner auf marktrelevanter Spurensuche: EICMA - Markt- und Technikinnovationen auf breiter Front

17.12.2015
Schlegel und Partner auf  marktrelevanter Spurensuche: EICMA - Markt- und Technikinnovationen auf breiter Front
EICMA, Europas größte Motorradmesse zeigt viele Neuvorstellungen und Weiterentwicklungen in diversen Segmenten der Motorradtechnik. Doch was hat Bestand und ist marktrelevant? Schlegel und Partner nimmt die wahren Größen unter die Lupe – und folgt nicht nur bloßen Trends.
Das Interesse der italienischen Besucher und des internationalen Publikums ist beeindruckend. In diesem Land ist Motorradfahren weniger Hobby Einzelner mit speziellen Vorlieben, sondern echter Spirit. Im Vergleich zu Deutschland nimmt man sich selbst nicht so wichtig und die Toleranz untereinander bestimmt das Miteinander. In der Konsequenz gibt es in Italien durch die breite Akzeptanz auch Motorradfahrer in allen Altersgruppen, Geschlechtern und Couleur. Selbst Familien schauen und genießen gemeinsam den Messebesuch. Und die Fahrzeughersteller bieten für jeden Geschmack das Passende an.

Evolution und Revolution - Die Messe zeigt viele nennenswerte Neuvorstellungen
BMW G 310R - ein Einsteigermotorrad mit 34 PS aus der Produktion beim indischen Partner TVS KTM lässt mit seinen kleinen Dukes bis 390 cm³ grüßen. Die BMW R9t Scrambler ist eigentlich kein neues Motorrad, sondern eine Variante mit Crosslenker und hochgelegtem Auspuff, die dem Customizing in anderen Richtungen entgegenkommt als die bisherige Basisvariante. Hier buhlt beispielsweise Ducati mit der Scrambler seit einem Jahr um Kunden. Auf vielen Leinwänden laufen Videos mit bärtigen, tätowierten Jeansträgern unter Jethelm und hinter Sonnenbrille, die mit öligen Fingern auf selbst geschraubten Motorrädern in die Sonne reiten.

KTM hat dieses Jahr die Palette um Varianten bereichert: die 1290 Super Duke GT mit Verkleidung, die nun gegen die vergangenes Jahr vorgestellte BMW R1200 RS und die BMW S1000XP oder Ducatis Multistrada antritt; die KTM RC 390 ein Sportler der Einsteigerklasse, der an die RC 125 anschließt.

Bemerkenswert ist, dass der Supersportler RC8 keinen Platz mehr auf der Messe gefunden hat. Vielleicht ist in zwei Jahren ein Nachfolger zu finden, der von der in der Entwicklung befindlichen MotoGP-Maschine abgeleitet wird, so wie es Honda vergangenes Jahr vorgemacht hat.

Yamaha hat die aktuell extrem erfolgreiche MT-Reihe durch neue Modelle verbreitert und um neue Varianten vertieft. So sind eine neue Einzylinder-MT-03 und eine von der R1 abgeleitete MT-10 hinzugekommen. Den bisherigen Varianten mit Lenkerverkleidung und Tourenanstrich wurde eine weitere Retroversion der MT-09 unter dem Namen XSR900 hinzugefügt.

Honda hat nun endlich den neuen Africa Twin serienreif. Die zwei erhältlichen Varianten zeigen die aktuellen Trends auf: einmal mit allen aktuellen Assistenzsystemen wie Traktionskontrolle, ABS und DCT und einmal ohne technische Gimmicks - und damit ohne Übergewicht. Für alle, die in der Wüste und jeder Oase ihr Moped selbst fahren und selbst schrauben wollen.

Suzuki hat mit der RV200 einen Viertakt-Klon der vierzig Jahre alten RV 125, auf die Räder gestellt. Fraglich, ob die spindeldürren Gabelstandrohre nötig sind, um das Flower-Power-Feeling von damals wieder aufleben zu lassen.

Ein wunderbares Beispiel für zweckorientierte Motorräder mit höchstem Kundennutzen ist die kleine aber feine Marke CCM, die da Modell GP 450 Adventure für lange Off-road-Strecken baut. Leichtbau hat hier höchste Priorität und führt zu 125 kg Leergewicht trotz 20 Litertank und rahmenfester „Dakar“-Verkleidung. Der Rahmen ist aus hoch festen Aluminium-Profilen und Gussteilen verschraubt und verklebt. Als Motor kommt ein zuverlässiges und optimiertes BMW-Aggregat der G450 zum Einsatz. Mit gut 40 PS lässt sich entspannt Enduro-Wandern und auch anspruchsvollere Off-Road-Passagen ringen dem Fahrer nicht die letzten Kräfte ab. Neben einer BMW R1200 GS ein gänzlich anderer minimalistischer Ansatz, mit genug Reichweite und Gepäckraum - auch für lange Touren. Der Manufakturansatz ermöglicht dabei Varianten für kleinere Fahrer/-innen oder ein Supermoto-Fahrwerk. Bei einem Preis von circa 11.000 Euro wird das feine Gerät sicher eine Randerscheinung bleiben. Für die gebotene Verarbeitung und Komponentenauswahl ist dies ein durchaus angemessener Marktpreis.

Zulieferer mit Profil
Bei der Sicherheitsausstattung sind Unternehmen wie Bosch und Continental präsent. Die bekannten Anbieter von Airbags Held mit Helite und Safer-Moto, jedoch nicht Dainese und Alpinestars, sind wieder vertreten und gewinnen zunehmend Kunden. Ecall 2.0 heißt jetzt dguard vom Steuergerätelieferanten digades. Man hofft aus den Fehlern von Schuberth bei der Entwicklung von Ecall-Systemen gelernt zu haben. Der Hardwareumfang und das Marktkonzept sind vergleichbar, die internationale Abdeckung ist nicht unbedingt gewährleistet. Hier werden die staatlichen Notrufnummern alarmiert, wenn nicht bei einem OEM-Konzept die markeneigenen Callcenter das Alarmieren der Rettungskräfte übernehmen. Fehlalarmierungen sollen nicht mehr vorkommen. Einsatzpunkt: Eine echte Alternative zur Nachrüstung für ältere Motorräder und für Motorradhersteller, die keine eigenen Systeme planen. Allerdings: mit rund 500 Euro konkurriert man mit den Kosten der Airbagweste. Warum ein entweder - oder? Warum nicht ein elektronisches Ecall-Signal mit der Airbagauslösung. Eine Echtzeiterkennung mit einer Auslösegeschwindigkeit deutlich unter 0,1 Sekunden - so könnten Elektronikbauteile gleichzeitig auch für verschiedene Funktionen genutzt werden. Wir sind gespannt, was die Zukunft bringt.

© Schlegel und Partner 2015